Die Kriege

In den Napoleonischen Kriegen ist meines Wissens kein Ahrdorfer gefallen, ebenso im Frankreich-Feldzug 1870/71. Dort ist Ahrdorf also glimpflich davongekommen.


Im Bruderkrieg zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft um Deutschland fiel in der Schlacht bei Königgrätz am 03.07.1866 der Ahrdorfer Johann Müller (* 06.03.1838), Sohn von Johann Müller und Anna Maria Bovy.


Im Ersten Weltkrieg hatte Ahrdorf dann schon einige Opfer mehr zu beklagen und im Zweiten Weltkrieg hat es Ahrdorf besonders hart getroffen. Das lag nicht nur daran, dass Ahrdorfer Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas gestorben sind, sondern auch an zwei besonders schwarzen Tagen in der Geschichte Ahrdorfs, an dem viele Ahrdorfer ihr Leben verloren haben: der 11. September 1944 und der 25.12.1944. Aufgrund dieser Ereignisse, die auf dieser Seite genauer betrachtet werden, nannte man Ahrdorf auch “Das Dorf der Witwen”.


Der Erste Weltkrieg

Hubert Ehlen und Johann Wirtz

Am 1. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Die Kriegsbegeisterung im Land ist groß und das Deutsche Reich strotzt vor Selbstvertrauen. 1871 hatte man den Krieg gegen den Erzfeind Frankreich gewonnen, Elsass-Lothringen ins Reich einverleibt und war in den 1880er Jahren sogar zu einer Kolonialmacht geworden. Überall im Reich herrscht Aufbruchsstimmung, man hat eine starke Armee. Was soll schon groß passieren? Auf den Waggons, die die Soldaten an die Front transportierten, stehen Sprüche wie "Weihnachten sind wir wieder zu Hause!". 


Ob diese Stimmung auch in Ahrdorf geherrscht hat, ist nicht überliefert. In der Schulchronik heißt es lapidar: 


"Am 1. August fand die Kriegserklärung statt. Herr Lehrer Lich aus Uedelhoven wurde einberufen. Lehrer Marien übernahm die Vertretung der Schule zu Uedelhoven. Es mußte Halbtagsunterricht angeordnet worden. Die Schule in Ahrdorf fasst 30 Kinder, die Schule zu Uedelhoven zählt 89 Kinder."


Fakt ist, dass der Bahnhof Ahrdorf in dieser Zeit stark frequentiert war. Auf der am 1. Juli 1912, also nur gut zwei Jahre vor Beginn des Krieges, eröffneten Strecke Dümpelfeld - Ahrdorf - Hillesheim - Lissendorf - Jünkerath rollen in den ersten Wochen des Krieges hunderte Militärzüge in Richtung Westfront. Der Aufmarsch im Westen ist minutiös geplant und läuft tatsächlich wie ein Uhrwerk. Es gibt insgesamt 13 sogenannte Transportstraßen, auf denen Soldaten und Material per Eisenbahn zur Front gebracht werden und eine davon ist die Strecke Köln - Remagen - Dümpelfeld - Ahrdorf - Lissendorf - Jünkerath.


Anders als erhofft, ist man Weihnachten nicht zu Hause und der Krieg entwickelt sich zu einem zermürbenden Stellungskrieg. Im März 1915 sind die ersten gefallenen Ahrdorfer Soldaten zu beklagen. Auch in der Heimat werden die Auswirkungen des Krieges zunehmend spürbar. In der Schule fällt zeitweise der Unterricht aus, weil die Schulkinder Früchte oder Pflanzen sammeln müssen, die bei der Armee Verwendung finden. Im März 1916 wird der Ahrdorfer Lehrer Marien zum Militärdienst berufen. Die Schule wird in der Folge durch Lehrer anderer Orte provisorisch mitverwaltet, bevor Marien nach kurzer Zeit wieder zurückkehrt.

Hubert Wirtz

Nach dem Kriegseintritt der USA im April 1917 wird die Lage für Deutschland und seine Verbündeten immer schwieriger. Die für unmöglich gehaltene Niederlage kommt näher. In der Schulchronik wird die Situation wie folgt beschrieben:


"Am 11. Oktober machten sich die Zeichen des Kriegsendes bemerkbar. Vereinzelt kamen die Rückzugstruppen und meldeten den Kriegsschluß. Am folgenden Tage erschienen die Truppen schon zahlreicher. Samstag, den 13. November, kamen die Truppen so zahlreich, daß die Schulen belegt werden mußten, weil die Privatwohnungen nicht mehr ausreichten. Dadurch mußte für drei Wochen der Schulunterricht ausfallen. Nach dem Rückzug und als die Besatzungstruppen auch die Schulen verlassen hatten, sah es in unserem Schullokal leider sehr traurig aus. Die Wände, ihres dürftigen Wandschmuckes beraubt, waren beschmiert und beklebt mit fratzenhaften Bildern. Die patriotischen Bilder waren gänzlich verschwunden, der Stuhl verbrannt, der Globus mitgenommen worden. Auch die Rechenmaschine war verschwunden, vereinzelt lagen die Kugeln im Zimmer. Die wenigen Turngeräte, ein Sprunggestell und Turnkörbe waren verschwunden. Die nötigsten Sachen wurden wieder beschafft. Turngeräte sind bis jetzt nicht angeschafft worden. So konnte dann mit dem 10. Dezember 1918 mit dem Unterricht wieder begonnen werden. "


Am Ende des Krieges haben insgesamt sieben Ahrdorfer Soldaten ihr Leben auf dem Schlachtfeld verloren.

Die gefallenen Soldaten

  • Behrens, Matthias, * 02.05.1889, + 11.04.1917
  • Bilger, Johann, + 14.10.1916, Einheit: 2. Marine Infanterie-Regiment, Radfahrer-Kompanie, starb bei Nieuport (Belgien) an einer Granatsplitter-Verletzung; wurde in Ostende beerdigt
  • Brang, Wilhelm, * 28.09.1888, + 22.09.1916, war Soldat seit dem 05.02.1915, diente als Landsturmmann im Reserve-Infanterie-Regiment 65, kämpfte in den Schlachten der Champagne und an der Somme. Von dort wurde er nach Galizien versetzt, wo er am 22.09.1916 tödlich getroffen wurde.
  • Ehlen, Hubert, * 10.08.1888, + 04.03.1915
  • Klein, Matthias, * 04.09.1888, + 27.07.1918
  • Wirtz, Lorenz, * 29.11.1891, + 08.03.1915, Musketier, lt. Verlustliste Nr. 51, Infanterie-Regiment Nr. 160, 1. Bataillon, Diez, 4. Kompanie: Souain, am 19.09.1914 schwer verwundet 
  • Zimmer, Peter, * 21.12.1891, + 29.01.1917

Die überlebenden Soldaten

  • Daniels, Josef, Gefreiter, Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2, 4. Kompanie, verwundet lt. Verlustliste vom 18. November 1915
  • Stollenwerk, Josef, lt. Verlustliste Nr. 137 vom 04.02.1915: Wehrmann, Infantrie-Regiment Nr. 68, Gefechte bei Tahure und Perthes vom 22.12.1914 bis 12.01.1915, verwundet
  • Wirtz, Hubert, * 08.07.1885
  • Wirtz, Johann, * 15.02.1890, lt. Verlustliste Nr. 129 vom 30.01.1915: Infanterie-Regiment Nr. 69, Trier, 1. Bataillon, 3. Kompanie; Zimmersheim am 14. und andere Gefechte vom 22. - 31.12.1914 und vom 01. bis 06.01.1915, leicht verwundet

Die Informationslage über die Soldaten des Ersten Weltkrieges ist leider nicht gut. Bei Verwundungen oder Todesfällen kann man heute zum Glück online in Zeitungsarchiven suchen und findet dort in den sogenannten "Verlustlisten" manche Angaben zum letzten Einsatzort, zu Dienstgraden etc.


Es ist aber davon auszugehen, dass es mehr Ahrdorfer Soldaten gab und dass die Auflistung deshalb unvollständig ist. Auch hier bin ich für ergänzende Informationen dankbar.


Der Zweite Weltkrieg und seine Vorgeschichte

Die Folgen des Ersten Weltkrieges

Die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges beginnt aus meiner Sicht bereits mit dem Versailler Vertrag. Das Wort "Vertrag" ist in dem Zusammenhang eigentlich das falsche Wort, denn ein Vertrag bedingt zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Der Versailler Vertrag ist aber eher ein Diktat der Alliierten, das die deutsche Regierung unterschreiben muss. Die deutsche Delegation sitzt bei den Verhandlungen am Katzentisch. Sie darf nicht teilnehmen, sondern kann erst am Schluss durch schriftliche Eingaben einige wenige Nachbesserungen des Vertragsinhalts erwirken.


Deutschland und seinen Verbündeten wird darin die alleinige Verantwortung für den Ausbruch des Weltkrieges zugeschrieben. Deutschland wird unter anderem verpflichtet, große Teile seines Staatsgebietes abzugeben, unvorstellbar hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte zu leisten und die Armee abzurüsten. Wenn man sich den ganzen Vertragstext durchliest, kann man nachvollziehen, was später folgen sollte.


Nach ultimativer Aufforderung unterzeichneten die Vertreter Deutschlands - unter Protest - den Vertrag im Spiegelsaal von Versailles, wo rund 50 Jahre zuvor das Deutsche Reich gegründet worden war. Nach der Ratifizierung und dem Austausch der Urkunden trat der Versailler Vertrag am 10. Januar 1920 in Kraft.


Die Weimarer Republik, die erste Demokratie auf deutschem Boden, hat es wegen dieser demütigenden Bedingungen von Anfang an schwer. Die Reparationen verhindern eine finanzielle Genesung und die Eingriffe der Siegermächte in die Souveränität Deutschlands stellen eine fortwährende Demütigung des Reiches dar. Das macht es den extremen Kräften im Land leicht, Anhänger für ihre radikale Politik zu finden. Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Inflation tun ein Übriges. 


Die Seite "ahrdorf.de" soll keine allgemeine Geschichtsseite werden, daher ist die Darstellung stark verkürzt. Dennoch ist es wichtig, die Zusammenhänge zu kennen, um das, was dann kam, besser zu verstehen. Adolf Hitler und seine Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) versprachen den Menschen, das "Diktat von Versailles" zu beenden, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und die Massenarbeitslosigkeit zu beenden.

Von der Machtergreifung Hitlers bis zum Krieg

Am 30. Januar 1933 ist es soweit. Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler und besiegelt damit - ohne es zu wollen - das Ende der Weimarer Republik. 


Schon bald spürt man auch in Ahrdorf erste Auswirkungen. Die Einträge in der Schulchronik aus jenen Tagen machen deutlich, wie schnell und gründlich die neuen Machthaber Veränderungen auch bis in die kleinsten Dörfer tragen.


Am 13.03.1933 macht der Lehrer folgenden Eintrag:


"Die Tage der nationalen Revolution mit der Reichstagswahl am 5. März und den Landtags- und Kommunalwahlen am 12. März brachten auch nach Ahrdorf Aufregung und Meinungsverschiedenheiten. Eifrig wurden die Radioübertragungen gehört. Heute wurde mit anderen Bürgermeistern des Kreises auch Bürgermeister Römer von Blankenheim abgesetzt, der die Bürgermeistereien Lommersdorf, der Ahrdorf zugehört, Dollendorf und Blankenheim verwaltete.


Die Schule Ahrdorf hat eine Schwarz-Weiß-Rote Fahne erhalten und zur Feier des Wahlsieges geflaggt. Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Ahrdorf der NSDAP ist Lehrer Sevenich."


Zum 1. Mai 1933 heißt es: "Die nationale Revolution hat sich überall durchgesetzt. In Ahrdorf wurde der 1. Mai, der Tag der nationalen Arbeit, mit einer kurzen Feier am Kriegerdenkmal begangen, als die SA der Ortsgruppe Ahrdorf auf ihrem Marsch durch die Dörfer der Ortsgruppe in Ahrdorf eintraf. Ortsgruppenleiter Lehrer Sevenich hielt eine kurze Ansprache. - Der kommissarische Bürgermeister von Blankenheim ist Herr Hansen."


Ein Eintrag am 28.06.1933 macht auch bereits den Rassenwahn der neuen Machthaber deutlich: "Versammlung der Lehrer in Schleiden. Die arische Abstammung ist nachzuweisen."

 

Die zunehmende Vereinnahmung der Bevölkerung durch die NSDAP wird anhand der Einträge in der Schulchronik gut nachvollziehbar. Besonders auf die Jugend hat man es abgesehen. In der Schule werden propagandistische Filme gezeigt, es werden Veranstaltungen organisiert und am 1. Dezember 1935 kann Lehrer vermelden:


"Endlich ist das Ziel erreicht. 100 % der in Betracht kommenden Schüler und Schülerinnen der Schule Ahrdorf sind von der HJ erfaßt. Ein schöner Erfolg, der allerdings von einer kleineren Schule leichter zu erreichen ist, als an den größeren unseres Bezirkes. Wir zeigen stolz auf unserer Schule die Hitlerjugendfahne."


Im August 1936 kommt das Militär nach Ahrdorf: "Zum ersten Male sahen die Kinder deutsche Soldaten und motorisierte Panzerabwehr aus nächster Nähe. Ahrdorf hat Einquartierung und die Kinder haben den ganzen Tag zu tun, um alles das zu sehen und zu hören, was ihnen noch so neu ist. Die Manöverübungen selbst finden bei Tondorf statt, so daß wir nicht geschlossen als Zuschauer „teilnehmen“ können."


Scheinbar gibt es nun jährlich Übungen der Wehrmacht in unserer Region. Im September 1937 notiert Lehrer Eckel:


"Die diesjährigen Manöver belebten wieder einmal das Bild der Landschaft um Ahrdorf. Auf den Feldern bezog ein Bataillon Infanterie Biwak. Unnötig zu sagen, daß jung und alt dabei sein mußte. Besonders aber die Jugend hatte nicht Augen genug, und für jedes Kind war es eine besondere Ehre, wenn es für die Soldaten eine Besorgung machen konnte.


Um 1938 muss auch in unmittelbarer Nähe der oben gezeigten Flakstellung ein Lager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) entstanden sein. Der RAD ist am Westwallbau beteiligt und führt auch vor Ort Drainagearbeiten etc. durch. Das Lager dient später möglicherweise als Unterkunft für Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten, die bei der Reichsbahn, in Betrieben und in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Die Stimmung in diesem Jahr 1938 ist geprägt von großpolitischen Ereignissen wie dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich oder dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in das Sudetenland. Auch vor Ort macht sich der drohende Krieg bemerkbar. An den Schulchronik-Eintragungen von Lehrer Eckel im September 1938 kann man die zunehmende Nervosität erkennen, die angesichts der Entwicklungen herrscht:


"Die Eifel ist voller Unruhe: Omnibusse mit Grenzmarkarbeitern (Anm.: Westwallarbeitern), Lastwagen mit Material, Militär, all das bringt ein Leben in die stillen Täler, wie es hier nie gedacht wurde. Hinzu kommt wieder die politische Hochspannung in der Sudetendeutschen Frage. Manche haben sehr starkes Vertrauen zum Führer; aber häufig begegnet man ängstlichen Gemütern. Es wird sehr viel Rundfunk gehört.
 
Auch die Zahl der Geräte nimmt zu; aber leider hören die wenigsten mit rechten Ohren hin. Am meisten werden ausländische Sender gehört, aber ohne Kritik und ohne die richtige Wertschätzung.


Die Ernte kann wegen des sehr ungünstigen Wetters nur schlecht eingebracht werden. Das ist bei dieser politischen Lage doppelt ungünstig."


Im März 1939 zeigt ein weiterer Eintrag aus der Schulchronik, wie begeistert man ist, dass Hitler in nur sechs Jahren die Folgen des "Diktats von Versailles" beseitigt hatte:


"Im Laufe eines Jahres drei gewaltige politische Ereignisse von weltgeschichtlicher Tragweite, das ist das nationalsozialistische Tempo, ein Tempo, das einem fast den Atem nimmt. Die tschechoslowakische Frage ist gelöst, Memel ist deutsch. Nicht anders, wie überall im Reich, jubelt und lacht und freut sich auch hier die Bevölkerung. Und es gibt nur ein Wort der Bewunderung für die staatsmännische Kunst des Führers, der dies alles schafft ohne Krieg."


Aus heutiger Sicht ist es leicht, den Kopf zu schütteln und jemanden als Nazi zu bezeichnen, der so dachte wie der damalige Lehrer von Ahrdorf. Wer sich aber ohne politische Scheuklappen mit dem Thema beschäftigt und sich in die damalige Zeit versetzt, kann sicherlich nachvollziehen, dass viele Menschen in Deutschland die Meinung des Ahrdorfer Lehrers teilten. Nach den Jahren der Demütigung und der Krisen hatte Hitler es geschafft, die Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen, das Staatsgebiet zu erweitern, die Souveranität zurückzugewinnen und dem Land wieder Selbstvertrauen zu geben.  


Der Zweite Weltkrieg

Man kann davon ausgehen, dass damals kaum ein Ahrdorfer Bürger weiß, was sich hinter den Kulissen abspielt und zu welchem Preis das Ganze erkauft wird. Nur sechs Monate später, am 1. September 1939, zeigt sich, dass Hitler mit dem Überfall auf Polen den Bogen überspannt hat.


An diesem Tag findet man in der Schulchronik folgenden Eintrag:


"Nun hat sich die politische Lage so sehr zugespitzt, daß Feindseligkeiten nicht mehr zu verhindern sind. Ist das der Krieg? Es ist selbstverständlich, daß die Bevölkerung sehr niedergedrückt ist, aber erhebend ist es manchmal zu erleben, wie viele von ihnen trotzdem mit gläubigem und zuversichtlichem Vertrauen zum Führer aufsehen.


Die Spannung der letzten Woche war fast unerträglich geworden. Anfang August kam ein Bayer von Westarbeiten hierher, dann zog Militär sehr rasch hier durch. Anschließend gab´s einige Tage erwartungsvolle Ruhe. Benzin wurde knapp. Privatwagen kommen immer seltender hier durch, dafür umsomehr Militärwagen. Ununterbrochen hört man die Eisenbahnzüge Tag und Nacht durch´s Tal rollen. Dann plötzlich kamen Requirierungen von Pferden, Gestellungsbefehl für ältere Männer, sie rückten bald ab.


Das Dorf war erschrocken, fast starr. Ununterbrochen liefen die Rundfunkgeräte. Jeder, der etwas Neues gehört hatte, erzählte es weiter. Manchmal war das geradezu unheimlich mißverstanden worden. Da war es schwer, guten Mut zu machen. Am anderen Tag waren die Einberufenen wieder zurück, sie waren mit anderen zur Bahnwache hier in Ahrdorf einberufen. Ringsum in den Nachbardörfern lag bald alles voll von Arbeitsdienstmännern, alten und jungen. Dann mußten zwei junge Leute weg zur Ausbildung. Und dann kam der 31. August und mit ihm die Nachricht, daß Polen nicht verhandeln wollte. Bei der ersten Meldung um 21 Uhr, war alles voll froher Erwartung, denn die meisten hatten nur die vorgeschlagenen Punkte gehört und geglaubt, daß diese Punkte und Forderungen so mäßig wären, daß Polen sie wahrscheinlich annehmen würde. Bei der zweiten Durchsage um 22 Uhr aber kam man noch dahinter, daß diese Punkte von den Polen nicht angenommen worden seien. Da wußte man, was das bedeutete. Das war gestern abend, und nun sind die Feinseligkeiten schon eröffnet.


Der Unterricht fällt bis auf weiteres aus. Niemand weiß, was nun noch kommt. Können sich England und Frankreich noch gebunden fühlen, fragt jeder hier. Wir können nur hoffen und dem Führer vertrauen."


Hitler hat sich verschätzt. Er dachte, dass Frankreich und England, die ein Beistandsabkommen mit Polen hatten, auch jetzt stillhalten würden. Doch diesmal sollte es anders kommen. Am 3. September erklären die beiden Staaten Deutschland den Krieg.


Überall im Dorf gibt es nun Einquartierungen, sowohl im Schulgebäude, als auch in Privathaushalten. Ahrdorfer Männer werden zur Wehrmacht eingezogen und ziehen in einen Krieg, der sich immer mehr ausdehnt. Am 10. Mai 1940 beginnt der Westfeldzug. Tag und Nacht rollen die Nachschubzüge der Deutschen Reichsbahn auch durch den Bahnhof Ahrdorf in Richtung Westgrenze. Das Dorf ist ebenfalls betroffen. Vom 1. bis 4. Mai 1940 bauen Pioniere der Wehrmacht eine zweite Brücke neben der ersten über die Ahr. Die neue Brücke kann 16 t tragen und nun rollen Panzer und Lastkraftwagen über die neue Brücke durchs Dorf und nach Nohn hinauf.

Anders als im Ersten Weltkrieg sind die Menschen diesmal nicht begeistert vom Krieg. Sie haben Angst. Obwohl die Wehrmacht ein Land nach dem anderen erobert, ist kein Ende abzusehen und von anderen Dörfern hört man, dass die ersten Soldaten in Särgen in die Heimat zurückkehren.


Im August fliegt die britische Royal Air Force die ersten Luftangriffe. Unweit des Bahnhofs Ahrdorf geht eine Bombe nieder. Lehrer Eckel schreibt: "England in seiner ohnmächtigen Wut führt seine Luftangriffe in dunkler Nacht durch. Um die Kinder vor Gefahren zu schützen, die aber hier wohl kaum bestehen, ist wieder der Unterricht geschlossen worden bis auf weiteres. Das wäre hier aber kaum nötig, ebenso wie ich nicht glaube, daß wir einmal den Luftschutzraum im Schulkeller (es ist der Heizraum, der kein gefährdetes Fenster hat) benutzen werden."


Leider sollte er sich in diesem Punkt irren. Im November 1940 berichtet er von den Ahrdorfer Soldaten, die zu diesem Zeitpunkt im Dienste der Wehrmacht stehen:

 

  1. Martin Bilger, dessen Vater im Weltkrieg gefallen ist, und der schon lange Soldat ist, Zahlmeister bei einer Luftwaffen-Bodenmannschaft
  2. Alfons Schmitz, der schon aktiv war bei den Kämpfen in Polen und Frankreich,(Obergefreiter)
  3. Hubert Ehlen, war bei den Kämpfen in Frankreich und in Polen in Garnison
  4. Mathias Jakobs ist in Norwegen bei Andelsund. Kam aber erst hin, als die Kämpfe schon fast vorüber waren, während andere Bataillone seines Regimentes die Kämpfe mitgemacht haben.
  5. Hubert Schmitt war bei den Aufräumungsarbeiten in Frankreich. Jetzt wieder zurückgestellt.
  6. Ittenbach (aus Lommersdorf zugezogen) ist an der Kanalküste
  7. Kaspar Schmitz in Danzig und Schwerin
  8. Willi Ehlen, jetzt in Rumänien
  9. Josef Wirtz, in München (SS), jetzt wahrscheinlich in Belgien
  10. Lambert Odenhausen in Ausbildung
  11. Franz Ehlen in Ausbildung
  12. Eduard Schmitz in Ausbildung
  13. Mathias Voß in Ausbildung
  14. Mathias Horsch, Flak
  15. Peter Blum in Ausbildung
  16. Peter Stollenwerk in Ausbildung
  17. Johann Lenzen in Ausbildung


Also 17 junge Leute aus 37 Haushaltungen. Das ist ein hoher Prozentsatz.


Am 22. Juni 1941 startet der deutsche Angriff auf Russland und damit eine weitere Eskalation des Krieges. Im Gegenzug nehmen die Luftangriffe, vor allem der britischen Luftwaffe, auf deutsche Städte zu, sodass immer mehr Kinder aus der Stadt aufs Land geschickt werden. Im September 1941 befinden sich in der Ahrdorfer Schule neben 26 einheimischen Schulkinder bereits sechs sogenannte "Flüchtlingskinder". In den Schulen wird nun immer mehr Wert auf Schutzräume und Luftschutzübungen gelegt. Der Krieg kommt näher.


Mit dem Jahr 1943 beginnt das Leiden für die Ahrdorfer Bevölkerung. Am 8. März 1943 fällt mit Josef Wirtz der erste Ahrdorfer Soldat. Er diente im Regiment "Westland" der 5. SS-Panzerdivision "Wiking" und fiel im Alter von 22 Jahren in Gruchewacha in der heutigen Ukraine.


Am 17.07.1943 stirbt Mathias Schmitz, Gefreiter in einem Luftnachrichtenregiment im Kriegslazarett 928 in Nikolskoje bei Leningrad an den Folgen der Verwundungen, die er einen Tag zuvor erlitten hatte. Er wurde nur knapp 21 Jahre alt.


Zwei Monate später, am 17.09.1943, ist das nächste Opfer zu beklagen: Willi Neukirch. Willi Neukirch war am 13.10.1907 in Blankenheim geboren und hatte am 03.02.1939 Gerda Jakobs aus Ahrdorf geheiratet. Er fällt bei den schweren Abwehrkämpfen der Wehrmacht bei Jelnia in der Nähe von Smolensk.


Vom 23. August 1942 bis 2. Februar 1943 tobt die Schlacht um Stalingrad, die oft als Wendepunkt des Krieges bezeichnet wird. Es ist die erste große Schlacht des Zweiten Weltkrieges, in der die Deutsche Wehrmacht eine vernichtende Niederlage zu verkraften hat. Neben den tausenden Toten, die zu beklagen sind, gibt es zahlreiche Vermisste, auch unter den Ahrdorfer Soldaten. Die Brüder Wilhelm, Franz und Hubert Ehlen gelten seit der Schlacht um Stalingrad als vermisst. Man kann sich das Leid ihrer Eltern kaum vorstellen.


Auch Edmund Wirtz, Bruder des 1943 gefallenen Josef Wirtz, gilt seit 1943 als vermisst. Wo sein letzter Einsatzort war, ist nicht bekannt. Seit dem Jahr 1944 wird auch Toni Schleich, Schwager der Ehlen-Brüder, vermisst.


Vermisst wird zunächst auch der am 03.09.1926 geborene Gefreite Matthias Keul. Er wird am 23.05.1944 zur Wehrmacht einberufen und nach einer Verwundung im Februar 1945 im Osten eingesetzt. Erst im Jahre 1950 erhalten die Angehörigen die Nachricht, dass Matthias am 11. März 1945 bei Heiligenbeil (Ostpreußen) gefallen war und auf dem dortigen Heldenfriedhof beigesetzt wurde.

Gefallene Soldaten

  • Keul, Matthias, * 03.09.1926, Gefreiter in einem Luftnachrichtenregiment, + 11.03.1945 in Heiligenbeil (Ostpreußen)
  • Neukirch, Willi, * 13.10.1907, + 17.09.1943 bei Jelnia / Smolensk (Russland)
  • Schmitz, Matthias, * 19.08.1922, + 17.07.1943 im Kriegslazarett 928, Nikolskoje bei Leningrad, heute St. Petersburg (Russland)
  • Wirtz, Josef, * 25.12.1920, SS-Rottenführer im Regiment "Westland" der 5. SS-Panzerdivision "Wiking", + 08.04.1943 bei Gruchewacha (heute Ukraine)

Vermisste Soldaten

  • Ehlen, Franz, * 26.03.1921, vermisst seit 1943 in Stalingrad (Russland)
  • Ehlen, Hubert, * 10.01.1913, vermisst seit 1943 in Stalingrad (Russland)
  • Ehlen, Wilhelm, * 04.04.1940, vermisst seit 1943 in Stalingrad (Russland)
  • Schleich, Toni, * 08.01.1911, vermisst seit 1944
  • Wirtz, Edmund, * 15.02.1924, vermisst seit 1943

Überlebende Soldaten

  • Beck, Emil, amerikanische Gefangenschaft
  • Becker, Michael, * 23.06.1905, englische Gefangenschaft
  • Bilger, Matern, * 06.11.1913, Zahlmeister
  • Blum, Peter
  • Eckel, Wilhelm, 18.05.1900, Lehrer an der Ahrdorfer Schule
  • Frings, Josef, 26.10.1923, amerikanische Gefangenschaft, später Inhaber der Bäckerei Frings in Ahrdorf, Hausname: Heppesch Jupp
  • Frings, Theodor, 03.05.1925, hat durch eine Verwundung ein Bein verloren
  • Horsch, Christian, * 20.11.1909, englische Gefangenschaft, Hausname: Acker Kress
  • Horsch, Matthias, * 04.04.1904, eingesetzt bei der Flak, Ausbildung in Bonn-Venusberg, war u.a. in Russland stationiert, kam später in amerikanische Gefangenschaft, Hausname: Acker Mattes
  • Ittenbach, Andreas
  • Jakobs, Josef, * 19.10.1918, war bei den U-Booten, nach dem Krieg in englischer Gefangenschaft, später Inhaber der Jakobs-Mühle und des Campingplatzes in Ahrdorf
  • Jakobs, Mattias, * 26.06.1913, englische Gefangenschaft, Hausname: Jlaaskrämesch Mättes, war der letzte Bürgermeister von Ahrdorf
  • Krämer, Alois, amerikanische Gefangenschaft, war der Sohn vom Bahnhofsvorsteher Theodor Krämer, der bei dem Bombenangriff auf Ahrdorf am 25.12.1944 ums Leben kam
  • Krämer, Hans, englische Gefangenschaft
  • Lenzen, Johann, * 01.09.1913, russische Gefangenschaft, Hausname: Schlompe Johann
  • Massong, Willi, * 07.06.1904, im Oktober 1945 aus englischer Gefangenschaft entlassen, gründete die Dachdeckerei Massong in Ahrdorf
  • Odenhausen, Lambert, * 25.11.1908, amerikanische Gefangenschaft
  • Radermacher, Johann, amerikanische Gefangenschaft
  • Raths, Josef
  • Rieder, Karl, * 07.02.1923, russische Gefangenschaft, hatte in Ahrdorf eine Schmiede und hat u.a. den Wetterhahn der Ahrdorfer Kapelle aus der Kartusche eines Eisenbahngeschützes geschmiedet, Hausname: Reedesch Karl
  • Schmidt, Hubert, * 29.04.1904, war später Elektriker, Hausname: Schmitte Hüppert
  • Schmitz, Alfred, 11.04.1925
  • Schmitz, Caspar
  • Schmitz, Eduard, * 15.10.1919, Als Kradmelder eingesetzt, zunächst in Frankreich, später in Russland, dort in Gefangenschaft, betrieb später in Ahrdorf ein Sägewerk, Hausname: Mülle Eed
  • Stollenwerk, Peter, * 29.08.1914, russische Gefangenschaft, Hausname: Stollewerks Pitter
  • van Bebber, Johannes, amerikanische Gefangenschaft
  • van Bebber, Theodor, amerikanische Gefangenschaft
  • Voß, Peter, * 14.10.1906, amerikanische Gefangenschaft
  • Wirtz, Hugo, 05.08.1902, war bei der Marine, eingesetzt insbesondere in Frankreich, später auch in französischer Gefangenschaft, Hausname: Heppesch Huujo, Gründer des Restaurants "Weißes Haus" in Ahrdorf
  • Zimmer, Heinrich, * 04.04.1925, Hausname: Scholze Hein
  • Zimmer, Hermann, * 08.07.1927, Hausname: Scholze Hermann
  • Zimmer, Johann, * 21.02.1924, Hausname: Scholze Johann

11. September 1944: Der schwarze Tag von Ahrdorf

Wenn man das Datum „11. September“ hört, denkt man unwillkürlich an die schrecklichen Ereignisse des 11.09.2001, als bei den Terrorangriffen von New York tausende Menschen ihr Leben verloren.

Doch auch Ahrdorf hat „seinen“ 11. September und die Ereignisse dieses 11.09.1944 sind für Ahrdorf mindestens genauso verheerend, denn an diesem Tag sterben durch einen Angriff alliierter Flugzeuge auf einen Eisenbahntransport 15 Ahrdorfer Männer; nur zwei Ahrdorfer überleben schwer verletzt, Adolf Frings sowie mein Vater Hubert Jehnen, der bei dem Angriff ein Auge verliert.


Neben all dem Leid, welches dieser Tag über das Dorf und seine Menschen bringt, verliert Ahrdorf damit - auf Basis der Volkszählung von 1933 - auch über 8 % seiner Bevölkerung! Diese Zahl drückt die ganze Tragödie dieses 11. September 1944 aus.

Die Schilderung der Ereignisse (nach Erinnerungen von Adolf Frings und Eintragungen in der Schulchronik)

Im September des Jahres 1944 befand sich die deutsche Wehrmacht an allen Fronten in dramatischen Rückzugskämpfen. An der Westfront stießen die alliierten Truppen unaufhaltsam in Richtung Reichsgrenze vor. Obwohl längst klar war, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, versuchte die deutsche Führung alles, um den Feind noch aufzuhalten. Deshalb wurden in den Dörfern Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr und ältere Männer - die mittleren Jahrgänge standen ja an den Fronten - zum Schanzen verpflichtet.

Vor diesem Hintergrund erhielten unter anderem auch die Ahrdorfer und Uedelhovener Männer am Sonntag, dem 10.09.1944 durch den Bürgermeister den Befehl, am folgenden Tag nach Losheim zu fahren (Anmerkung: in Wirklichkeit war es wohl Losheimergraben), um dort Schanzarbeiten durchzuführen. In diesem Falle war das Ausheben von Panzergräben vorgesehen.

Am nächsten Morgen traf man sich pünktlich am Ahrdorfer Bahnhof. Als der Personenzug - aus Dümpelfeld kommend - kurz vor sieben Uhr in den Bahnhof einlief, stiegen die Ahrdorfer - bepackt mit Hacke, Schaufel und Proviant - mit ihrem Bürgermeister Jakob Zimmer an der Spitze ein. Der Uedelhovener Bürgermeister Daniels fehlte noch. In diesem Augenblick bewiesen zwei ältere Uedelhovener Männer - Josef und Wilhelm Hellendahl - Mut: "He Jonge, wo wellt ihr dann hin. Wenn dä Schäfer net do ess, bruche de Schoof net ze fahre". Es gab einen kleinen Disput auf dem Bahnsteig, während der nervös gewordene Zugführer auf die Abfahrt drängte. Die beiden Alten erreichten, dass alle Uedelhovener wieder ausstiegen. "Ohne ose Bürjermeester fahre mir net". Auf dem Nachhauseweg am Ahrdorfer Tunnel kam ihnen der Bürgermeister auf seinem Motorrad entgegen, machte ihnen heftige Vorwürfe und forderte sie angesichts der drohenden Folgen - einem solchen Befehl nicht Folge zu leisten, hieß damals, sein Leben aufs Spiel zu setzen - auf, unverzüglich ihren Einsatzort aufzusuchen. Inzwischen hatte der Zug den Bahnhof Ahrdorf in Richtung Jünkerath verlassen.

In Jünkerath stieg man in den Zug um, der über Losheim nach Malmedy fahren sollte. Am Bahnhof Hallschlag signalisierte eine gelbe Fahne "Fliegeralarm". Die jungen Leute wollten deshalb bereits den Zug verlassen, schlossen sich schließlich aber den Älteren an, die die Fahrt fortsetzen wollten. In dem planmäßigen Zug, der durch ein auf einem Waggon installiertes Flakgeschütz gesichert war, befanden sich außer den Schanzleuten auch Normalreisende. Gegen 09.00 Uhr erscholl der Ruf „Fliegeralarm !!!!". Der Zug wurde gebremst und kam in einem Geländeeinschnitt zum Stehen.


Es war sehr neblig an diesem Morgen, doch der Jagdbomberpilot muss den Zug in dem Geländeeinschnitt hinter einer Straßenbrücke zwischen Losheim und Losheimergraben entdeckt haben. Die Ahrdorfer Männer saßen in der Wagenmitte zusammen und konnten das Heulen des angreifenden Flugzeugs hören. Durch eine Splitterbome des Jabos erhielt der Waggon einen Volltreffer, mehrfach wurde der Zug mit Bordwaffen beschossen, die Fenster ließen sich nicht mehr öffnen. Die Männer, die sich aus dem Waggon befreien konnten, liefen die Böschung hinauf, um sich in Sicherheit zu bringen, doch auch dort wurden sie von Bordwaffen beschossen. An der Bahn führte ein Wassergraben vorbei, in dem viele Tote lagen. Insgesamt kamen bei diesem Angriff über 28 Personen ums Leben, davon 15 Ahrdorfer. Am selben Tag erfolgte bei Gondelsheim bei Prüm ein weiterer Tieffliegerangriff auf einen Personenzug, bei dem noch einmal 12 Menschen zu Tode kamen.


10 Ahrdorfer waren sofort tot, 3 starben noch am gleichen Tag, 2 weitere nur wenig später im Krankenhaus. Jakob Zimmer, der Bürgermeister und an diesem Tag wohl der Anführer der Gruppe, starb als Letzter, am 05. Oktober 1944. Zeitzeugen sagten, er hätte nicht sterben müssen aber er starb vor Gram, da er sich für den Tod der übrigen Männer verantwortlich fühlte. Das stimmt natürlich nicht, denn verantwortlich waren die, die ihm den Befehl gaben, aber bei solch traumatischen Ereignissen denkt man nicht rational. Nur zwei Ahrdorfer - Hubert Jehnen und Adolf Frings - überlebten den Angriff schwer verletzt. Ein Militärfahrzeug brachte die beiden ins Krankenhaus nach Stadtkyll.

Man kann sich kaum vorstellen, wie groß das Entsetzen und die Trauer war, als die Nachricht Ahrdorf erreichte. Nicht überall kam die Nachricht noch am gleichen Tag an: Amalie Keul erfuhr erst am nächsten Tag von dem Ereignis und davon, dass auch ihr Mann aus dem Leben gerissen worden war. Niemand hatte sich getraut, es ihr zu sagen, und es sollte nicht ihr letzter Schicksalsschlag bleiben: am 25.12.1944 verlor ihr damals 6-jähriger Sohn Willi bei einem Luftangriff den rechten Arm und im Jahre 1951 erreichte sie die Nachricht, dass ihr vermisster Sohn Mathias am 11.03.1945 in Ostpreußen gefallen war. Weitere 10 Frauen wurden an diesem 11. September 1944 zu Witwen. Mutter Frings blieb mit sieben Kindern alleine. Stabsgefreiter Alfons Schmitz - sechs Jahre lang Soldat - war vom Kriegsdienst freigestellt worden, weil noch vier Brüder an der Kriegsfront standen; er war für den Vater zum Schanzen gefahren.

Christoph Bach (auf dem Grabstein steht fälschlicherweise Christian), Heribert Wirtz und Peter Wirtz wurden am 16.09.1944 in Ahrdorf beerdigt, Jakob Zimmer am 09.10.1944. Hermann van Bebber wurde in Prüm bestattet. Die Männer, die unmittelbar am Ort des Geschehens starben und nicht mehr ins Krankenhaus gebracht wurden, haben eine Zeit lang in einem Waggon in der Nähe von Losheim gelegen. Die Ahrdorfer Bürger hätten die Männer gerne nach Hause geholt, um sie würdig zu bestatten, doch dies war aufgrund der Kampfhandlungen zunächst nicht möglich. Schließlich wurde der Waggon von amerikanischen Soldaten in Brand gesetzt. Die sterblichen Überreste wurden daraufhin von Losheimer Bürgern in einer Werkzeugkiste der Deutschen Reichsbahn beigesetzt.


Im Januar 1946 begaben sich einige Ahrdorfer Männer – Adolf Frings, Josef Jakobs, Sebastian Keul, Franz Weber, Hubert Jehnen und Matthias Jakobs – mit einem Pferdefuhrwerk zum Losheimer Friedhof und bargen die Überreste in einem großen Sarg. Bei den Grabungen stießen sie auf ein Koppelschloß mit den Initialen JW - Jakob Weber - und sie hatten die Gewissheit, dass sie die Ahrdorfer Männer gefunden hatten...


Die Toten wurden in einem gemeinsamen Grab beigesetzt, das auf dem Bild zu sehen ist. Auf dem Grabstein sind die Namen fast aller Toten vermerkt: nur die Eltern des erst 16-jährigen Heribert Wirtz lehnten es ab, den Namen ihres Sohnes dort einmeißeln zu lassen.. sie waren einfach zu verbittert, denn keiner ihrer drei Söhne kehrte aus dem Krieg zurück.


Es ist verfügt, dass dieses Grab dauerhaft erhalten werden soll, um das Andenken an diesen für Ahrdorf so schmerzlichen Tag und besonders das Andenken an die Toten zu erhalten. Zugleich soll es die nachfolgenden Generationen dazu mahnen, es nie wieder zu einem Krieg kommen zu lassen, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen.

Veranstaltungen und Broschüre zum 80. Gedenktag

Die Ereignisse des 11. September 1944 beschäftigen mich seit vielen Jahren. In dieser Zeit ist es mir dank der Unterstützung vieler Menschen gelungen, das, was damals geschehen ist, weitgehend zu rekonstruieren.


Die Grundlage meiner Forschungen waren die Erlebnisberichte von Adolf Frings, neben meinem Vater Hubert Jehnen der zweite Ahrdorfer Überlebende des Angriffs. Er schilderte in schöner Regelmäßigkeit alle zehn Jahre den interessierten Zeitungsreportern das, was nach seinen Erinnerungen passiert war. Weitere Informationen konnte ich der Ahrdorfer Schulchronik entnehmen. Ich stellte alles, was ich herausgefunden hatte, ins Internet.


Im Jahre 2006 stieß ein Herr Namens Rolf Theres auf meinen Bericht und schrieb mir einen sehr bewegenden Brief. Darin schilderte er, wie er als 6-jähriger Junge die schrecklichen Ereignisse als unfreiwilliger Augenzeuge miterlebt hatte. Er wohnte damals mit seinem Vater - die Mutter war 1942 verstorben -, seinem älteren Bruder Günter und einem Kindermädchen aus Losheim in einem Forsthaus unweit der Unglücksstelle. Obwohl das Ereignis schon so lange zurücklag, konnte Rolf Theres sich noch an viele Einzelheiten erinnern, beispielsweise auch an den Flugzeugtyp, den die Angreifer geflogen hatten. Auch diese Ereignisse stellte ich ins Netz.


Darauf wurde Oliver Greifendorf aufmerksam, der sich unter anderem mit der Luftkriegsgeschichte im Raum Koblenz beschäftigt. Er bestätigte die Angaben von Rolf Theres zu den Angreifern und konnte mir sogar die Einheit und die Piloten nennen, die am 11. September 1944 den Luftangriff durchgeführt hatten.


Last but not least steuerte Michael Heinzel, ein Eisenbahnfreund aus Bonn, die eisenbahnhistorischen Aspekte des Ereignisses bei. Ich selbst habe dann noch einige Hintergrundinformationen zusammengetragen, zum Beispiel den damaligen Frontverlauf oder ein paar Geschehnisse in Ahrdorf.

Broschüre


Zum 80. Jahrestag habe ich die Ergebnisse meiner Recherchen in einer 32-seitigen Broschüre zusammengefasst.


Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Vorgeschichte. Warum machten sich die Ahrdorfer am Morgen des 11. September 1944 auf den Weg in Richtung Losheimergraben? Was heißt "Sie fuhren zum Schanzen"? Wie war die militärische Situation zu diesem Zeitpunkt? Waren noch Menschen aus anderen Orten mit dem gleichen Auftrag im Zug? All diese Fragen werden dort beantwortet.


Das zweite Kapitel umfasst die Chronologie der Ereignisse. Es beginnt am 10. September mit dem Befehl, den die Ahrdorfer bekommen haben und endet mit der Überführung der Ahrdorfer Toten von Losheim nach Ahrdorf im Januar 1946.


Kapitel Nummer drei beschreibt den Ort des Geschehens. Dabei werden auch einige Fotos gezeigt, die dort Anfang der 1950er Jahre gemacht wurden, als die Trümmer der zerstörten Brücke noch zu sehen waren.


Besonders ausführlich werden in dem darauf folgenden Kapitel die Ahrdorfer vorgestellt, die den Angriff miterleben mussten.


Ein weiteres Kapitel geht auf die Angreifer ein. Der Flugzeugtyp wird beschrieben und die Ramenbedingungen, unter denen die jungen amerikanischen Piloten den Angriff geflogen haben. Auch die Einheit und die Piloten werden genannt und dort, wo es möglich war, mit Fotos dokumentiert.


Eingeleitet wird die Dokumentation durch Grußworte von Jennifer Meuren, Bürgermeisterin der Gemeinde Blankenheim, und Martin Westenburger, Pastoralreferent der GdG Blankenheim-Dahlem.

  

Es sind noch Exemplare vorhanden, die für 9 EUR (bei Versand zzgl. 1,60 EUR) erworben werden können. Bei Interesse bitte einfach eine Mail an webmaster@ahrdorf.de schicken. 


Der Reinerlös ist für heimatgeschichtliche Projekte in Ahrdorf bestimmt.


Fahrradtour von Jünkerath nach Losheim am 11.09.2024


Der Kyllradweg verläuft von Jünkerath nach Losheim nahezu komplett auf der Trasse der ehemaligen Eisenbahnstrecke, die bis an die Vennbahn nach Weywertz führte. 


Bei Kilometer 19,7 fand damals der Luftangriff auf den Zug statt. Zum Gedenken daran wurde am 11. September 2024 eine Fahrradtour von Jünkerath bis zum Kilometer 19,7 der ehemaligen Eisenbahnstrecke durchgeführt. Bei kaltem Herbstwetter durfte ich auf dem Park & Ride-Parkplatz am Bahnhof Jünkerath insgesamt 15 Mitfahrer begrüßen.


Nach einem kurzen einleitenden Vortrag fuhren wir gemeinsam mit dem Fahrrad die letzten knapp 20 Kilometer, die der Zug 80 Jahre zuvor zurückgelegt hatte. Dort hatten sich weitere Menschen versammelt, um gemeinsam mit uns, die wir mit dem Fahrrad gekommen waren, den Ereignissen und den Opfern zu gedenken.


Am Ort des Geschehens stand schon eine Blumenschale bereit. Auf einer daran angebrachten Schiefertafel stand "Den Opfern des Luftangriffs vom 11.09.1944".

Gedenkveranstaltung in Ahrdorf am 21.09.2024


Am 21.09.2024 gab es gleich mehrere Anlässe des Gedenkens. Hundert Jahre zuvor war das Ahrdorfer Kriegerehrenmal zu Ehren der Gefallenen des 1. Weltkrieges eingeweiht worden. Die Erbauer ahnten damals nicht, dass nur 20 Jahre später viele weitere Namen dazukommen sollten.


Im Fokus standen aber erneut die Ereignisse des 11. September 1944. Ortsvorsteher Ralf Ruland begrüßte im Bürgerhaus von Ahrdorf am Samstag, dem 21.09.1924, um 18:30 Uhr die rund 80 anwesenden Gäste. 


Im Anschluss ging man gemeinsam zum Kriegerdenkmal.  Dort wurde den Toten der beiden Weltkriege gedacht. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Blankenheim, Jennifer Meuren, hielt eine bewegende Rede zu den furchtbaren Ereignissen der damaligen Zeit. Sie, und auch Pastoralreferent Martin Westenburger, der ebenfalls eine Ansprache hielt, spannten den Bogen zur heutigen Zeit. Der Krieg in der Ukraine und das Erstarken extremer Parteien in Deutschland schüren die Sorge, dass sich Geschichte wiederholen kann.


Im Rahmen der Gefallenenehrung las Ralf Ruland die Namen der Toten des 11. September vor. Die Zuhörer waren sichtlich bewegt, als sie hörten, dass es teilweise noch Kinder waren, die man damals an den Westwall schickte.


Nach der Gefallenenehrung wurde am Kriegerdenkmal eine neue Infotafel enthüllt, die an die Geschichte des Ehrenmals und an die für Ahrdorf tragischen Ereignisse des 11.09.1944 und 25.12.1944 erinnert. Bei einem Luftangriff auf Ahrdorf am 1. Weihnachtstag 1944 kamen weitere 11 Menschen ums Leben, davon 4 aus Ahrdorf.  


Den Abschluss bildete ein Vortrag im Bürgerhaus. Darin habe ich versucht, das, was im September 1944 passiert ist, aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Die Erinnerungen eines der beiden Ahrdorfer Überlebenden, die Schilderungen eines Augenzeugen, der zu der Zeit am Unglücksort wohnte, die Ergebnisse eines Forschers für Luftkriegsgeschichte und historische Fakten und Dokumente fügten sich zu einem Gesamtbild zusammen, das zwar noch Lücken aufweist, aber dennoch einen guten Eindruck dessen vermittelt, was sich damals zugetragen hat. In den Vortrag eingebaute Fotos gaben den Getöteten ein Gesicht. 

Ich glaube, ich war nicht der Einzige, der bei dem Vortrag manchmal schlucken musste bei dem Gedanken an die schrecklichen Ereignisse jener Zeit. 


Nach dem Vortrag bestand dann noch Gelegenheit, die oben erwähnte Broschüre zu erwerben.


Es war ein bewegender und schöner Abend, zu dem viele Menschen beigetragen haben: der Ahrdorfer Ortsvorsteher Ralf Ruland, die Bürgermeisterin der Gemeinde Blankenheim Jennifer Meuren, Pastoralreferent Martin Westenburger, die Uedelhovener Dorfmusikanten (musikalische Unterstützung bei der Gefallenenehrung), der Bürgerverein Ahrdorf (Organisation im Bürgerhaus), Dietmar Schlecht (Initiative für die Info-Tafeln, Aufarbeitung des Grabsteins auf dem Ahrdorfer Friedhof, Mitwirkung bei den Vorbereitungen und der Durchführung der beiden Gedenkveranstaltungen), Gerd Fölsch (der die Veranstaltung fotografisch dokumentiert hat) und natürlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ihnen allen sei ganz herzlich gedankt.  


Besonders hat mich gefreut, dass einige ehemalige Ahrdorfer gekommen waren, außerdem zahlreiche Menschen aus anderen Orten, die ebenfalls mehr oder weniger von den Ereignissen des 11. September 1944 betroffen waren, unter anderem aus Stadtkyll, aus Losheim, aus Alendorf. 


Dabei sind so manche Kontakte entstanden, die hoffentlich dazu führen, dass die Dokumentation dessen, was damals passiert ist, weiter ergänzt werden kann. Ich freue mich darauf.   


Zum Abschluss noch einige Fotos von der Veranstaltung. Alle Fotos stammen von Gerd Fölsch aus Ahrdorf.


Weihnachten 1944: ein Fest des Schreckens für Ahrdorf

Am 16.12.1944 beginnt mit der Ardennenoffensive (nach ihrem Befehlshaber Gerd von Rundstedt auch "Rundstedt-Offensive" genannt) das letzte große Aufbäumen der Deutschen Wehrmacht.


Rund 200.000 deutsche Soldaten versuchen mit 600 Panzern und 1.900 Geschützen, den Feind im Westen zurückzuschlagen. Der deutsche Angriff kommt für die Amerikaner völlig überraschend. Wie von den Deutschen eingeplant, können die Alliierten zudem ihre uneingeschränkte Lufthoheit nicht ausnutzen, da die Flugzeuge aufgrund der Schlechtwetterlage nicht einsatzfähig sind. Das sollte sich jedoch bald ändern. Am Abend des 22.12.1944 klart der Himmel auf. Es beginnt eine Schönwetterperiode, die mit kurzen Unterbrechungen bis Ende Januar 1945 anhält.


Mit dem schönen Wetter kommen die feindlichen Lightning-Doppelrumpfjäger, Mosquitos, Boston- und Fortressbomber in scheinbar unerschöpflicher Zahl und bringen ihr todbringendes Werk über dem Eifelraum. Am 24. Dezember fliegen nicht weniger als 1.400 alliierte Bomber und 736 Jäger über dem Eifelraum etwa 5000 Einsätze.

Am Heiligabend ist Ahrdorf voll mit deutschen Soldaten. In der hiesigen Region ist damals unter anderem die 116. Panzerdivision eingesetzt (wegen ihres Divisionsabzeichens auch "Windhund-Division" genannt). Die frostklare Nacht wird durch so genannte "Christbäume" erhellt, die von feindlichen Aufklärern zur besseren Sicht und Orientierung abgeworfen werden. Die Soldaten ahnen, was bald darauf passieren wird und ziehen deshalb am 1. Weihnachtstag 1944 ab. Nur noch wenige Soldaten bleiben im Dorf. An diesem 25. Dezember 1944 werden im ganzen Eifelraum Angriffe der Alliierten geflogen.


Gegen 15:30 Uhr wird Ahütte angegriffen und schwer getroffen (ein ausführlicher Bericht über diese Ereignisse ist in der Festschrift zum Pfarrfest der Pfarrei Üxheim aus dem Jahre 1980 zu lesen). Kurz vor 17:00 Uhr ist Ahrdorf dann das Ziel der feindlichen Angriffe.


Die Geschehnisse von damals lassen sich anhand verschiedener Quellen relativ gut rekonstruieren. 

1. Bericht aus der Schulchronik

Der Ahrdorfer Lehrer Eckel hat nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im März 1946 einen eindrucksvollen Beitrag zu den Ereignissen des 25.12.1944 in der Schulchronik festgehalten:

Haus Wirtz (Heppesch)

Am 25. Dezember 1944 nachm., kurz vor 5 Uhr, also am 1. Weihnachtstag, als schon die Dämmerung grau und freudlos niedersank, nahte sich überraschend in niedrigem Flug ein Schwarm Bomber, und ehe die Menschen sich versahen, war Ahrdorf in die Finsternis von Rauch und Staub gehüllt. - Ein neues Unglück war geschehen:


Am heiligen Weihnachtsfest, an dem die Glocken aller Welt ein “Friede den Menschen” verkünden sollte, ging über Ahrdorf ein Bombenteppich nieder. Wieder hatte Ahrdorf Tote und Verletzte. 11 Tote gab es, 5 Ahrdorfer: Frau Christine Wirtz, die Großmutter der oben genannten Brüder Wirtz, Großmutter auch des beim Schanzen umgekommenen Peter Wirtz, Franziska Wirtz, Schwester dieses Peter Wirtz, Theodor Krämer, Bahnhofsvorsteher, im Hause Wirtz gerade zu Besuch weilend, Margarete Krebs, sie wurde 3 Tage später aus den Trümmern geborgen, Frau Kante, aus Köln evakuiert. Ihre Tochter wurde von den Trümmern des Hauses gegen die heiße Herdplatte gedrückt. Es war ihr nicht möglich, sich zu befreien, und die Kante der Herdplatte brannte sich ihr bis ins Rückenmark. Sie ist darüber irrsinnig geworden, lebt aber noch. Zu diesen 5 Toten kommen noch 3 Soldaten, die hier einquartiert waren; ferner 3 Russen, darunter der Sohn einer russischen Lehrerin, die hier den 35 Kindern des Flüchtlingslagers (Flüchtlinge aus der Ukraine, Weißrußland und Bessarabien) Schulunterricht erteilte. Ihr Mann war vor 10 Jahren, ohne Angabe von Gründen, nach Sibirien geschafft worden. Sie weiß nichts von ihm. Das Flüchtlingslager hat 100 Menschen umfaßt. In Lumpen kamen sie hier an und sahen nach 2 Monaten bereits sehr gesittet aus. Sie haben sich hier wohl gefühlt. Einigen ist vor dem Rücktransport geglückt, sich zu verstecken; sie sind nicht mitgegangen.


Neben diesen Toten hat es eine Menge Schwerverletzter gegeben. Dr. Arens in Adenau hatte in der ganzen Nacht mit den eingelieferten Verletzten aus Ahrdorf zu tun. Tragisch ist der Fall: Willi Keul, der seit ½ Jahr schulpflichtig war und seinen rechten Arm verloren hat, das jüngste von 6 Kindern; sein ältester Bruder war Soldat, sein Vater am 11. Sept. beim Schanzen umgekommen. Agathe Wirtz, deren Bruder am 11. Sept. tot geblieben ist, deren Schwester Franziska und deren Großmutter an diesem Weihnachtstage umgekommen sind, verlor an einem Auge die Sehkraft. Ihre Mutter ist ebenfalls schwer verwundet.

Völlig zerstört wurden 4 Häuser: Horsch, Odenhausen und Bilger (auf der Dorfseite zum Bahnhof hin) und Krebs (auf der Dorfseite zur Kapelle hin). Schwer beschädigt die Häuser: Jax, Wirtz, Ehlen, die alte Schule, die neue Schule, Keul, Stollenwerk (Wirtschaft), Stollenwerk (Post).


Dazu kommen noch Beschädigungen an anderen Häusern, Ställen und Scheunen und die zahllosen Dachschäden, alles Schäden, die umso schwerer wiegen, als sie wegen Materialmangels größtenteils bis heute nicht beseitigt werden konnten. - Über die Qual, das Elend, die Trauer dieser Tage ließen sich noch viele Seiten der Chronik füllen.


Soweit der Bericht aus der Schulchronik. Das Bild oben zeigt das Haus Wirtz, noch vor dem Angriff und das andere Bild zeigt das zerstörte Haus Horsch in der Straße "Im Acker", das an gleicher Stelle neu aufgebaut wurde.

2. Bericht der Augenzeugin Trudi Gossen (geb. Massong)

In der Ausgabe 3 / 10. Jahrgang / September 2000 der Uedelhovener Heimatzeitschrift “Üllewer Weckepeller” berichtet Trudi Gossen wie folgt über die Ereignisse des 25.12.1944:

Die Großeltern kamen mit uns Kindern am Spätnachmittag von einem Weihnachtsbesuch an der Farm (Unkental) zurück. Noch an der Haustüre stehend, weil gerade angekommen, hörten und sahen wir den Flugzeugverband von Bombern am Himmel. Opa scheuchte uns noch ins Haus und gleich darauf detonierten die ersten Bomben im Dorf und Umgebung. Wir waren so erschrocken, daß wir alle gleichzeitig die Kellertreppe hinab wollten. Dabei sind Opa und meine Schwester Lotti hinuntergefallen. Eine dicke Beule am Kopf der kleinen Schwester und Opas Prellungen waren zum Glück für uns der alleinige Schaden, wenn auch schmerzhaft für die Beiden.


Natürlich gingen die Fensterscheiben alle zu Bruch. Doch im Ort war es sehr schlimm! Einige Häuser (Heppesch, Horsch, Bilger, Natesse) bekamen Volltreffer. Es gab fünf Tote und mehrere Verletzte unter den Ahrdorfer Bürgern. Es wurden auch noch drei Soldaten tödlich getroffen sowie drei in Ahrdorf einquartierte Russen, die im Splittergraben Deckung gesucht hatten.


Der größte Teil der Einheit, die in Ahrdorf Quartier bezogen hatte, war am Weihnachtsmorgen abgezogen. Jedenfalls hatte sich einer von den verbliebenen Soldaten bei dem Bombenangriff schützend über einen 6-jährigen Jungen (Willi Keul) geworfen. Das Nachbarhaus war von einer Sprengbombe völlig zerstört worden und Splitter trafen die Beiden. Das Kind hat dabei den Arm verloren.


Die Nachbarin (Margarethe Krebs) aus Haus Natesse (stand etwa dort, wo heute das Bürgerhaus ist), die sich gerade im Stall bei den Kühen befand, wurde mit den Tieren unter Heu begraben und erstickte. Einige Leute waren in ihren Häusern verschüttet. Eine junge Frau wurde mit schwersten Verbrennungen ausgegraben. Sie hatte mit dem Rücken auf dem heißen Küchenherd gelegen und hat Jahre danach noch gelitten. Ihre Mutter (Maria Kante, aus Köln zu Besuch) wurde am anderen Morgen tot aus den Trümmern geborgen (Haus Bilger).


Mein Ehemann Willi Gossen (Jerrets), damals 13 Jahre alt, und weitere 3 - 4 Meßdiener, sind gleich nach dem Fliegerangriff mit Pastor Graafen von Uedelhoven nach Ahrdorf geeilt, um zu helfen und zu trösten. Der Herr Pastor war auch für die Ahrdorfer zuständig. Doch als Willi in diesem Inferno in dem schwer zerstörten Haus “Heppesch” tote Menschen sah, lief er panikartig die zwei Kilometer nach Hause zurück.


Im Haus “Heppesch” starben Christine Wirtz, Franziska Wirtz, Bahnhofsvorsteher Theodor Krämer und einige Soldaten. Agathe Wirtz wurde schwer verletzt und verlor ein Auge.

3. Das Schicksal des jungen Kraftfahrers Gerhard Jahns

Kraftfahrer Gerhard Jahns

Gerhard Jahns wird am 16. Juni 1927 in Berlin geboren. Als er knapp sechs Jahre alt ist, am 30. Januar 1933, übernimmt Adolf Hitler in Deutschland die Macht. Der “Führer” weiß ganz genau, dass er sich um die Jugend kümmern muss, um seine Macht auszubauen und zu dauerhaft zu sichern. Ab 1933 wird die sogenannte Hitler-Jugend (abgekürzt HJ), die Jugend- und Nachwuchsorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), zum staatlichen und einzigen Jugendverband mit bis zu 8,7 Millionen Mitgliedern (98 Prozent aller deutschen Jugendlichen) ausgebaut.


In Massenveranstaltungen verkündet Hitler seine Erziehungsziele propagandistisch-bildhaft. So fordert er in seiner Rede vom 14. September 1935 vor rund 50.000 HJ-Jungen im Nürnberger Stadion, sie sollen „flink wie die Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“ sein:


„Es wird nichts im Völkerleben geschenkt; alles muß erkämpft und erobert werden. […] Ihr müßt lernen, hart zu sein, Entbehrungen auf euch zu nehmen, ohne jemals zusammenzubrechen.“


Die Nationalsozialisten wissen, wie sie die Kinder und Jugendlichen begeistern konnten. Es gibt Zeltlager, Schießausbildungen und Spezialeinheiten wie die Flieger-HJ, die Reiter-HJ oder die Motor-HJ. In diesen Einheiten können die Jungen sich austoben und “ein ganzer Mann sein”. Das alles dient der Vorbereitung auf den Krieg. Es sollen Männer herangezüchtet werden, die bereit sind, für das nationalsozialistische Deutschland ins Feld zu ziehen und notfalls zu sterben. In dieser Zeit wächst Gerhard Jahns heran, und sicherlich ist auch er begeistert von dem, was er in seiner Kindheit und Jugend erleben, welche vermeintlichen Abenteuer er in jungen Jahren bestehen darf. Von den Schattenseiten des Regimes, dem er dient, weiß er nichts. Zu verblendet ist die damalige Jugend von der Propaganda, die tagtäglich vom Rundfunk, von den Zeitungen und von den offiziellen stellen verbreitet wird. Gerhard ist eigentlich bis zum 31.12.1944 vom Wehrdienst zurückgestellt. Er will aber auch, wie viele seiner Alterskameraden, ein Mann sein und "Soldat" werden.

Kraftfahrer Gerhard Jahns

Von Kameraden erfährt er, dass man beim Transportkommando Speer eine Ausbildung zum kostenlosen Erwerb des Führerscheins machen und dann auf diesem Umweg auch "Soldat" werden kann. Das Transportkorps bzw. Transportkommando Speer ist eine dem damaligen Rüstungsminister Albert Speer unterstehende Unterorganisation des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK). Zu seinen Hochzeiten im November 1942 verfügt das Transportkorps Speer über fast 50.000 Fahrzeuge und etwa 70.000 Mann.


Mit Erlaubnis seiner Mutter nimmt er an dieser Ausbildung teil, erwirbt den Führerschein und wird so beim "Trako Speer" im rückwärtigen Dienst als Kraftfahrer eingesetzt. Zuerst ist er Kradmelder, fährt mit dem Motorrad zu den einzelnen Dienststellen im Berliner Raum und überbringt Post und Befehle. Diese Tätigkeit gefällt ihm sehr und er ist jeden Abend zu Hause. Als er aber näher an die Front versetzt wirde, um mit einem leichten Lkw Versorgungsaufgaben durchzuführen, beginnt der Ernst des Soldatseins und das angenehme Leben ist vorbei. Dass diese Geschichte auch ein tragisches Ende nehmen könnte, willt keiner der Beteiligten erkennen, denn Gerhard und seine Kameraden nehmen an keinen Kampfhandlungen teil. 


Das Bild links oben zeigt Gerhard Jahns in der typischen Uniform dieser besonderen Einheit. Das “Sp” am rechten Kragen (vom Uniformträger aus gesehen) kennzeichnet ihn als einen Soldaten des Transportkorps Speer, das im Unterschied zur Organisation Todt nach militärischen Gesichtspunkten organisiert und in Regimenter, Abteilungen, Kompanien und Züge gegliedert war. Am linken Ärmel in der Mitte ist schemenhaft der Adler des NSKK zu sehen, am unteren Ärmel ein Abzeichen, das ein symbolisiertes Rad mit einem Adler und dem unvermeidlichen Hakenkreuz zeigt. Das Bild rechts zeigt Gerhard Jahns als Kradmelder.


Bei seinem Einsatz in der Eifel dient Gerhard im 11. Regiment, 12. Kompanie des “Trako Speer” und hat den Dienstgrad eines Kraftfahrers inne. Jahns Kompanie ist in Antweiler stationiert, ihn selbst und einen Kameraden hat man Weihnachten 1944 allerdings in Ahrdorf untergebracht. Welche Aufgabe sie dort hatten, ist nicht bekannt. Als die Bomben auf Ahrdorf fallen, wirde Gerhard Jahns gemeinsam mit drei anderen Personen verschüttet. Die Kameraden können ihn nur noch tot aus den Trümmern bergen. Wenige Tage später wird er in Antweiler beigesetzt. Seine endgültige Ruhestätte findet er, wie auch Günther Rennwanz (der am 27.12.1944 bei Ahrdorf abgestürzte Flieger) auf dem Heldenfriedhof in Bad Bodendorf.


Der Vorgesetzte Gerhard Jahns erfüllt seine traurige Pflicht und informiert mit Schreiben vom 23. Januar 1945 die Angehörigen. Gerhards Mutter lässt der Tod ihres einzigen Sohnes keine Ruhe. Sie will erfahren, wie dieses für sie so schreckliche Ereignis passiert war und hakt nach. Sie wendet sich noch einmal an den Vorgesetzten und an den Kameraden, der mit Jahns zusammen in Ahrdorf stationiert gewesen war.


Rund 70 Jahre später, im Herbst 2014, findet Bernd Liebrich bei der Wohnungsauflösung seiner verstorbenen Schwiegermutter die Briefe, die Gerhard Jahns Mutter als Antwort auf ihre Bemühungen bekommen hatte. Herr Liebrich recherchiert im Internet, stellt den Kontakt zu mir her und überlässt mir freundlicherweise Kopien der Briefe und Fotos, sowie die Erlaubnis, diese hier bei Ahrdorf.de zu veröffentlichen. Dafür möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken. Die Briefe, die ich hier eins zu eins wiedergebe, sind bewegende Zeugnisse dieses furchtbaren Schicksals:

Brief 1: Information des Vorgesetzten an die Angehörigen


O.U, den 23. Januar 1945
12. Kompanie, 11. Regt.
 

Sehr geehrter Herr und Frau Jahns!


Ich habe die schmerzliche Pflicht, Ihnen die Nachricht geben zu müssen, daß Ihr Sohn, der Kraftfahrer Gerhard Jahns, am 25.12.1944 bei einem Angriff feindl. Flieger auf den Ort Ahrdorf (Eifel) für Führer und Vaterland gefallen ist.


Eine in unmittelbarer Nähe Ihres Sohnes niedergehende Fliegerbombe setzte seinem Leben ein schnelles Ende. Unter anderen verwundeten Kameraden ereilte ihn das Soldatenlos.


Auf dem Friedhof in Antweiler, dem Ort der Unterkunft unserer Einheit, haben seine überlebenden Kameraden ihm ein schlichtes Soldatengrab gegeben. Ich selbst habe auch von dieser Ehrenstätte eine Fotoaufnahme gemacht. Sobald sich die Möglichkeit gibt, diese Aufnahme zu einem Bild zu entwickeln, werde ich sogleich Ihnen ein solches zukommen lassen. Die Brieftasche Ihres Sohnes, als einziger vorgefundener Nachlaß, wird Ihnen möglichst bald und sicher noch übersandt. Möge es Ihnen in Ihrem großen Schmerz ein Trost sein, zu wissen, daß er durch seine stete Einsatzbereitschaft der Kompanie ein Vorbild und uns allen ein lieber Kamerad gewesen ist, dem wir ein ehrendes Andenken bewahren werden. Im Namen all seiner Kameraden, wie in meinem eigenen bitte ich Sie, unseres tiefen Mitgefühls gewiss zu sein. Mögen Sie stark sein und stolz auf sein Opfer, das er zur Verteidigung der Heimat gab.


Mitfühlend grüße ich Sie


Ihr sehr ergebener


Name nicht leserlich (möglicherweise Siebert)


Oberfeldkornett u. Komp. Führer


Brief 2: Weiterer Brief des Vorgesetzten als Antwort auf den Brief von Frau Jahns vom 6. März 1945


O.U, den 7. April 1945
12. Kompanie (F.G.D) ???


Sehr geehrte Frau Jahns!


Ihr Brief vom 6. März 1945 kam in meinen Besitz. Mitfühlend Ihren großen Schmerz um den Verlust Ihres einzigen Sohnes, las ich Ihre Zeilen, die mich tief beeindruckten. Ich will Ihrem Wunsche entsprechen und nachstehend Einzelheiten von dem Soldatenlos, das Ihren lieben Sohn am 25.12.44 getroffen hat, mitteilen.


Am Nachmittag des 1. Weihnachtstages ging Ihr Sohn Gerhard mit einem Kameraden spazieren. Anschließend besuchten sie in ihrer Ortsunterkunft Ahrdorf noch andere Kameraden, die in der Schule untergebracht waren. Gerhard und Kamerad begaben sich dann gegen 17.00 Uhr wieder in das eigene Quartier, sie wohnten getrennt bei Privatleuten. Am Ofen in der Küche setzte sich Gerhard und las ein Buch. Überraschend tauchte ein Bomberverband von 24 Flugzeugen auf und warf etwa 100 Bomben auf den Ort, der hierbei 16 Tote zu beklagen hatte. Eine Bombe traf das Haus, es stürzte die Giebelwand ein und begrub die in der Küche versammelten 4 Personen unter großen Trümmermassen. Mit Sicherheit mußte anzunehmen sein, daß der Tod die Betroffenen sofort oder nach kurzer Zeit ereilt hatte. Schnellster Hilfeeinsatz konnte erst bis zum späten Abend einen Toten bergen und am nächsten Morgen dann die übrigen, bei denen sich auch Ihr Sohn Gerhard befand. Friedlich seine Gesichtszüge, war er dem ewigen Schlaf verfallen.


Durch Kameraden wurde Gerhard am gleichen Tage nach Antweiler bei Adenau (Eifel) überführt, den Ort der Unterkunft seiner Einheit. Daselbst auf dem Friedhof bei der Kirche ist er dann zur letzten Ruhe in kühler Erde gebettet. Leider hat sich noch keine Möglichkeit bisher geboten, die Fotoaufnahme von der Grabstätte Gerhards entwickeln zu lassen. Ich werde die nächste Gelegenheit sogleich wahrnehmen, um Ihnen, wie versprochen, Bildnis wie auch den Film zu übersenden. Inzwischen hoffe ich Sie nun auch in dem Besitz der Brieftasche, die auf dem Kurierwege der Ers.-Abteilung Transportkorps Speer Berlin, Heerstraße, zum Zwecke der Zustellung an Sie überbracht worden ist.


Für die Grüße und guten Wünsche, die Sie, sehr geehrte Frau Jahns, für mich zum Ausdruck brachten, danke ich Ihnen vielmals. Auch Ihnen meine besten Wünsche, besonders in gesundheitlicher Hinsicht. Möge das Schicksal sich immer freundlich Ihnen zuneigen und Sie vor weiteren Bitternissen bewahren.


Ich grüße Sie, Ihr ergebener


Ofk. u. Komp. Führer


Brief 3: Antwort des Kameraden von Gerhard Jahns


Mutterstadt, den 20.12.55


Liebe Frau Jahns!


Ich will Ihnen mitteilen, daß ich Ihren Brief erhalten habe und mich entschuldigen, daß ich so lange nichts von mir hören ließ. Uns ist eine Tochter von 30 Jahren gestorben, da hatte ich keinen Gedanken für etwas anderes, aber auf Weihnachten möchte ich Sie nicht länger warten lassen.


Wir kamen vom Reich aus in die Eifel, nun hatte Ihr Sohn das Glück oder Unglück, daß er zwei Tage früher in Ahrdorf war als ich. Mein Wagen ging kaputt und da kam ich zwei Tage später ins Quartier als die Anderen. Ich musste mich mit einem Notquartier behelfen, weil alles schon belegt war. Nun kam der Samstagabend (Anmerkung: 23.12.1944) und die Kompanie wurde zusammen gerufen. Da bekamen wir mitgeteilt, daß es am Sonntagmorgen wieder weiter ginge. Bei der Zusammenkunft hatte Ihr Sohn gefehlt und da habe ich erfahren, daß sie freitagabends getrunken haben, was ihrem Sohn nicht gut bekommen ist. Er musste sich nachts übergeben, dabei wurde das Bett verunreinigt, da schämte er sich und suchte sich ein anderes Quartier.


Bei der Zusammenkunft wurden zwei Mann bestimmt, die in Ahrdorf bleiben mussten. Das waren Ihr Sohn und ich. Nun bekam ich die Geschenke für uns beide überreicht. Am Sonntag, nachdem die Kompanie fort war, suchte ich mir auch ein Quartier. Am Montag, das war der erste Feiertag, ging ich nach dem Mittagessen zu Ihrem Sohn und gab ihm seine Geschenke. Er hat sich darüber sehr gefreut. Das werden Ihnen seine Quartiers-Leute auch erzählt haben. Nun fragte ich Ihren Sohn, ob er mitginge einen Spaziergang zu machen. Da war er mit einverstanden. Nun liefen wir 2 – 3 Stunden auf den Bergen herum, um beim Kaffee wieder zu Hause zu sein.


Als wir wieder ins Dorf kamen, ging ein jeder in sein Quartier um Kaffee zu trinken und nach Hause zu schreiben. Unterdessen fielen auch schon die Bomben und ich wurde dabei in den Keller geworfen. Als ich wieder zu mir kam und auf die Straße ging, kam schon ein Unteroffizier, ich sollte ihm helfen, zwei Damen aus einem zusammengerutschten (?) Hause zu befreien. Nachdem dies erledigt war, ging ich wieder zurück, um bei uns den Schaden zu betrachten. Da wurde mir gesagt, daß Ihr Sohn noch verschüttet sei. Ich ging gleich hin und half den Soldaten aufräumen, aber wir mussten unsere Arbeit wegen den Fliegern einstellen. Am nächsten Morgen ging es wieder weiter. Ich konnte leider nicht immer dabei sein. Am dritten Tag wurde er geborgen.


Die Beerdigung besorgten seine Kameraden, welche in Antweiler waren, die auch wahrscheinlich den Brief abgeschickt haben. Später musste ich nochmals Angaben machen, welche Sie wahrscheinlich zugeschickt bekamen.


Mit freundlichen Grüßen

Ihr Alfons Feldner

Das Grab von Gerhard Jahn in Antweiler

Soweit die Briefe, die zum Glück für die Nachwelt erhalten werden konnten. Der Vorgesetzte Gerhard Jahns hat übrigens Wort gehalten und der Mutter das im Briefwechsel angesprochene Foto des Grabes auf dem Friedhof in Antweiler zugeschickt.


Die Briefe und Fotos stellen ein weiteres Mosaiksteinchen bei der Aufarbeitung der Geschehnisse um den 1. Weihnachtstag 1944 in Ahrdorf dar. Sie lassen die Ereignisse lebendig werden und geben dem sinnlosen Sterben ein Gesicht.


Gerhard Jahns aus Berlin wurde nur 17 Jahre alt. Er starb während des letzten Aufbäumens der Deutschen Wehrmacht im Rahmen der Ardennenoffensive, zu einem Zeitpunkt, als selbst dem optimistischsten Nationalsozialisten hätte klar sein müssen, dass der Widerstand keinen Sinn mehr hatte.


Man kann nur erahnen, wie schwer Gerhards Mutter an dem Schicksal, das sie mit vielen anderen Müttern aller am 2. Weltkrieg beteiligten Nationen geteilt hat, zu tragen hatte. Die Vehemenz, mit der sie alles in Erfahrung bringen wollte, was in den letzten Stunden ihres Sohnes und in den Tagen danach geschehen war, ist jedenfalls beeindruckend.


Die sterblichen Überreste von Gerhard Jahn wurden nach dem Krieg umgebettet. Auf dem Soldatenfriedhof in Bad Bodendorf an der Ahr, in Grab Nr. 348, fand der junge Kraftfahrer aus Berlin schließlich seine letzte Ruhe.


Die nachfolgende Auflistung der Toten des 25.12.1944 konnte dank des gefundenen Schriftwechsels um einen weiteren Namen ergänzt werden. Vielleicht gibt es ja noch weitere Zufälle und aufmerksame Menschen, die dazu beitragen, Schicksale in diesem Zusammenhang aufzuklären.


Die Toten des 25.12.1944

  • Jahns Gerhard, * 16.06.1927 in Berlin, Kraftfahrer beim Transport
  • Kante (geb. Hellendahl), Maria, * 08.06.1873
  • Krebs, Margaretha, * 07.08.1897
  • Krämer, Theodor, * 25.10.1885, Bahnhofsvorsteher des Bahnhofs Ahrdorf, starb im Hause Wirtz
  • Wirtz (geb. Christmann), Christina, 29.09.1862
  • Wirtz, Franziska, * 09.03.1921

Militärisch hat die Ardennenoffensive, die so vielen Menschen den Tod brachte und Ahrdorf, das nach den Ereignissen des 11. September 1944 nun zum zweiten Mal vom Unglück getroffen wurde, in neues Leid stürzte, letztlich keinen Erfolg gehabt. Die Verlegung neuer amerikanischer Truppen in die Ardennen und mangelnder deutscher Nachschub ließen die Offensive nach nur wenigen Tagen scheitern. Am 27. Dezember mußte die Wehrmacht an allen Frontabschnitten zur Verteidigung übergehen.


Bis zum 16. Januar 1945 verloren die Deutschen sämtliche Geländegewinne und knapp 70.000 Mann (17.236 Tote, rund 16.000 Gefangene und 34.439 Verwundete).


27.12.1944: Absturz des deutschen Jagdfliegers Günther Rennwanz bei Ahrdorf

Fotomontage (c) Johann Meyer

Als kleiner Junge hörte ich interessiert zu, wenn die Erwachsenen vom Krieg erzählten. Für mich hörte es sich fast so an wie das für uns damals übliche Cowboy- und Indianerspiel. Die Tragweite dessen, was sich im zweiten Weltkrieg auch in unserer Region abgespielt hat, war mir damals nicht bewusst. Eines Tages erzählte mein Vater mir von einem deutschen Flugzeug, das 1944 abgeschossen worden und „en dr’ Döng“ (Flurname), irgendwo zwischen Ahrdorf und Hoffeld, zerschellt sei. Der Pilot sei bei diesem Ereignis ums Leben gekommen.


Fasziniert von dieser Geschichte machten einige meiner Freunde und ich uns auf den Weg, um nach Resten des Flugzeugs zu suchen. Die größeren Teile waren damals verbrannt bzw. abtransportiert worden aber wir waren voller Hoffnung, noch ein paar interessante Stücke zu finden.


Mein Vater hatte mir den Fundort, der in einem Waldstück ungefähr zwischen der ehemaligen Ahrdorfer Müllkippe und dem so genannten „Hoffelder Kopp“ lag, gut beschrieben. Mit einem kleinen Spaten bewaffnet, gruben wir in dem feuchten Waldboden und hatten schon bald kleine Aluminiumteile gefunden, die wir stolz mit nach Hause nahmen. In Gedanken malten wir uns den Luftkampf aus, der damals stattgefunden haben musste…. und der Pilot war für uns ein Held. Wir wussten damals nicht, dass der Pilot nur wenige Einsätze geflogen hatte, zum Zeitpunkt des Absturzes erst 21 Jahre alt war, eine Freundin hatte und sicher noch gerne einige Jahrzehnte gelebt hätte. Doch der Reihe nach….


Jahrzehnte nach unserer „Grabung“ – zwischenzeitlich hatte mich das Hobby der Heimatforschung gepackt – erinnerte ich mich wieder an den Flugzeugabsturz. In der Hoffnung, Informationen darüber zu finden, kaufte ich mir die zwischenzeitlich erschienenen – übrigens sehr interessanten - Bücher „Tod am Eifelhimmel“, „Einsatzziel: Überleben“ und „Vom Feindflug nicht zurückgekehrt“. Obwohl es bei allen drei Büchern um Fliegerschicksale in der Eifel geht, war kein Hinweis auf einen Absturz in der Nähe von Ahrdorf oder Hoffeld zu finden. Ich war ratlos. Schließlich kam mir der Zufall zu Hilfe: eines Tages war ich bei einem Forscherkollegen in Nohn zu Besuch. Eigentlich ging es mir dabei um die Geschichte der Eisenbahnstrecke Dümpelfeld – Lissendorf. Der Kollege erzählte mir beiläufig, dass er kürzlich bei einem Johann Meyer aus Berndorf gewesen sei, der sich um Flugzeugabstürze in der Eifelregion während des Zweiten Weltkrieges kümmere, eine tolle Sammlung von Flugzeugteilen habe und eine große Landkarte, auf der alle bekannten Abstürze in unserer Gegend verzeichnet seien. Die Abstürze seien zudem hervorragend dokumentiert. Sofort stieg wieder Hoffnung auf: sollte sich das Fliegerschicksal, das 1944 über Ahrdorfer Gebiet besiegelt wurde, mit Hilfe von Herrn Meyer aufklären lassen?


Kurz entschlossen griff ich zum Telefonhörer, vereinbarte mit Johann Meyer einen Termin und war beeindruckt von dem, was er und seine Forscherkollegen in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen hatten. Nach wenigen Sätzen war klar: Johann Meyer kannte den besagten Luftkampf inklusive Datum und Absturzstelle. Sogar den Namen des Piloten konnte er mir sofort nennen und die interessante Geschichte erzählen, die ich an dieser Stelle aufgeschrieben habe.

Es war die Zeit der Ardennenoffensive. Am 16. Dezember 1944 startete Hitler mit der Ardennen- oder Rundstedt-Offensive das letzte große militärische Aufbäumen an der Westfront. Die Alliierten waren überrascht und so ging es in den ersten Tagen nach langer Zeit endlich noch einmal vorwärts. Auch in der Luft versuchten die Deutschen, wieder ein wenig Lufthoheit zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund hatte auch der junge deutsche Pilot Günther Rennwanz, geboren am 11.10.1923 in Schöneck bei Verden an der Aller seine ersten Einsätze. Er war Mitglied der 15. Staffel des Jagdgeschwaders 3 "Udet", dessen Emblem links zu sehen ist, und flog ein einsitziges Jagdflugzeug des Typs Focke-Wulf 190 A-8/R2.


Am 23.12.1944 konnte Rennwanz seinen ersten Abschuss verzeichnen, ein mittelschwerer amerikanischer Mittelstreckenbomber vom Typ Marauder.


Dann kam der 27. Dezember 1944. Rennwanz wurde von einem Alarm aufgeschreckt. Er und weitere 8 Kameraden eilten zu ihren Maschinen. Gegen 11:15 Uhr kam es dann zu dem folgenschweren Luftkampf. Die Flieger um Günther Rennwanz wurden von hinten von amerikanischen Maschinen der 487. Squadron, 352. Fighter Group angegriffen. Die deutschen Flugzeuge brachen nach allen Seiten aus. Der amerikanische Oberleutnant James N. Wood Jr. nahm mit seinem Jagdflugzeug des Typs P-51 Mustang die Focke-Wulf von Günter Rennwanz ins Visier. Bereits der erste Feuerstoß war ein Treffer, ein zweiter folgte. Die rechte Tragfläche der Fw 190 löste sich, kurz danach auch die linke….. die rechte Tragfläche des deutschen Flugzeugs traf die amerikanische P-51 und riss dort ein etwa 60 cm langes Stück am Tragflächenende ab.


Der Rumpf der Focke-Wulf stürzte mit hoher Geschwindigkeit ab und schlug an der eben erwähnten Stelle auf. Der junge deutsche Pilot hatte keine Chance, während die beschädigte P-51 ihre Heimatbasis aus eigener Kraft erreichte.


Die Leiche von Günther Rennwanz wurde erst im Februar 1945 von Kriegsgefangenen, die in der Nähe der Absturzstelle Arbeiten zu verrichten hatten, gefunden. Offenbar sind die sterblichen Überreste damals nicht näher untersucht worden, denn die Beisetzung auf dem Friedhof in Kirmutscheid erfolgte anonym als “unbekannter Jagdflieger”.


Im Oktober 1954 begann dann die spannende Abschlussgeschichte um den Jagdflieger Günther Rennwanz. Die Leiche sollte umgebettet werden und auf dem Heldenfriedhof in Bad Bodendorf die letzte Ruhe finden. Bei der Untersuchung des Grabes fand man die Leutnant-Abzeichen der Uniform, eine rechteckige Armbanduhr mit geflochtenem Silberband sowie eine Erkennungsmarke. Diese Erkennungsmarke gehörte aber einem Piloten, der den Krieg überlebt hatte. Wer also war der unbekannte Tote, der in dem Grab des Kirmutscheider Friedhofs lag? Eine umfangreiche Recherche begann. Akten wurden geprüft und mögliche Kameraden befragt. Die auffällige Armbanduhr führte schließlich zu des Rätsels Lösung. Sie konnte später von den Kameraden eindeutig Günther Rennwanz zugeordnet worden.


Wie aber kam Rennwanz an die falsche Erkennungsmarke? Berichte, dass die Marken in der Hektik vor dem letzten Einsatz vertauscht worden seien, haben sich als falsch herausgestellt. Richtig ist, dass die Marken bereits bei einem Lehrgang der Jagdgruppe Ost im Oktober 1944 vertauscht wurden.

Grabstein von Günther Rennwanz

Das alles liest sich so einfach aber die Fakten zum Fall Rennwanz mussten in mühevoller Kleinarbeit recherchiert werden. Erst 1986 stand definitiv fest, dass es sich bei dem unbekannten Jagdflieger um Günther Rennwanz handelte. Heute liegt Günther Rennwanz, der im Alter von nur 21 Jahren unweit von Ahrdorf sein junges Leben lassen musste, auf dem Ehrenfriedhof in Bad Bodendorf an der Ahr. Sein Grab (links im Bild), das ich am 18.08.2009 besucht habe, trägt die Nummer 359.


Mein Dank gilt den beteiligten Forschern und besonders Demjenigen, der das Ereignis recherchiert und mir erlaubt hat, die Ergebnisse seiner Recherche hier bei ahrdorf.de zu veröffentlichen. Er möchte nicht namentlich genannt werden, was ich natürlich respektiere.

Günther Rennwanz

Leutnant Günter Rennwanz

Stationen des Günther Rennwanz, geboren am 11.10.1923


  • mit 18 Jahren freiwillig zur Luftwaffe
  • Ende 1941: Grundausbildung in Detmold
  • Anfang 1942: Luftkriegsschule 3 in Werder an der Havel
  • Anfang 1944: als Oberfähnrich in Bad Vöslau
  • März - Mai 1944: Einsatz in Ungarn, dann zurück nach Bad Vöslau
  • Juli 1944: Versetzung nach Wiener Neustadt
  • September 1944: Versetzung nach Sagan (Schlesien), danach
  • Versetzung nach Querfurt
  • November 1944: Versetzung zur Sturmgruppe IV, Jagdgeschwader 3 nach Störmede bei Soest
  • Dezember 1944: Versetzung nach Gütersloh
  • 23. Dezember 1944: erster Einsatz gegen Bomber, dabei zwei Abschüsse, wovon nur einer anerkannt wird
  • 27.12.1944: Abschuss über Antweiler, Absturz zwischen Ahrdorf und Hoffeld

Günther Rennwanz wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. und 2. Klasse ausgezeichnet.

Die Focke Wulf Fw 190

Leutnant Günther Rennwanz flog eine Fw 190, die es in verschiedenen Ausführungen gab. Die Maschine von Rennwanz war eine Fw 190 A-8 / R2. Fotos und Informationen dazu findet man auf Wikipedia.


Die nachfolgenden Ausführungen stammen zum Teil aus Wikipedia, zum Teil aus einer Bauanleitung für ein Modell der Fw 190 A-8/R2:


Die Focke-Wulf Fw 190 war ein einsitziges Tiefdecker-Jagdflugzeug. Die durch den Flugzeugkonstrukteur Kurt Tank bei der Focke-Wulf-Flugzeugbau GmbH in Bremen entwickelte Ganzmetallkonstruktion gilt als eines der besten Jagdflugzeuge seiner Generation und ergänzte ab 1942 als zweiter Standardjäger der Luftwaffe auf allen Kriegsschauplätzen die Messerschmitt Bf 109. Bis April 1945 wurden etwa 19.500 Maschinen hergestellt – der Großteil davon mit einem luftgekühlten Sternmotor, spätere Ausführungen hatten einen flüssigkeitsgekühlten V-Motor.


Die ab Frühjahr 1944 ausgelieferte Focke-Wulf 190 A-8 war die meistgebaute Variante dieses Jägers. Die von Rennwanz geflogene Version, die A-8/R2, war als Bomber-Abfangjäger (genannt "Sturmbock") ausgelegt. Bei ihr wurden zwei der vier in den Tragflächen eingebauten 20mm-Kanonen durch die stärkeren Mk-108 30mm-Kanonen ersetzt. Die A-8/R2 besaß auch Panzerplatten an den Rumpfseiten und gepanzertes 30mm-Glas an der Kanzel, um den Piloten gegen die Abwehrbewaffnung der alliierten Bomber zu schützen. Das seitlich der Kanzel angebrachte Panzerglas wurde meist wegen mangelnder Sicht wieder abmontiert, so auch hier. Die Panzerung der Frontscheibe wurde belassen.


Die übliche Taktik dieser schweren Jäger war es, die feindlichen Bomber von vorne oder hinten in einer Winkelformation anzugreifen und sich aus etwa 10 Grad Überhöhung zu nähern, die verheerenden 30mm-Kanonen wurden dann aus nächster Nähe abgefeuert. Diese Taktik machte die Fw 190 verletzlich, und spezielle Gruppen von Bf 109 hatten die Aufgabe, Eskorte zu fliegen, während die 190er angriffen.


Technische Daten der Fw 190 A-8:

Kenngröße Daten
Spannweite: 10,51 m
Länge: 9,0 m
Höhe: 3,95 m
Flügelfläche: 18,3 m²
Motor: BMW 801 D2
Startmasse: 4.400 kg
Flächenbelastung: 239 kg/m²
Gipfelhöhe: 10.600 m
Steigfähigkeit: ca. 1.100 m/Minute
Reichweite ohne Zusatztanks bei Sparleistung: 985 km
Bewaffnung zwei 13-mm-MG 131 und vier 20-mm-MG 151 / 20E

Die Sturmjäger

Wie bereits erwähnt, war die von Rennwanz geflogene Variante der Fw 190 kein normales Jagdflugzeug, sondern ein sogenannter “Sturmbock”.


Was bedeutet das aber konkret? Deutlich wird das vielleicht, wenn man sich ansieht, welche Klausel jeder Sturmjäger- Pilot vor dem Eintritt in eine Sturmstaffel zu unterschreiben hatte:


"Ich verpflichte mich hiermit freiwillig, bei jedem Einsatz, mindestens einen feindlichen Bomber auf kürzeste Entfernung abzuschießen und, falls dies mit den Bordwaffen unmöglich ist, den Gegner durch Rammen zu vernichten, wobei ich bis zum Aufschlag in meiner Maschine verbleiben werde. Anderenfalls würde ich aus der Sturmstaffel abgelöst und / oder vor ein Militärgericht gestellt werden."


Es ging also um die Zerstörung von alliierten Bombern wie den viermotorigen B 17 "Flying Fortress" oder B-24 "Liberator", und zwar um nahezu jeden Preis. Die speziell gepanzerten Focke Wulf 190 A8 / R2 Flugzeuge verzichteten auf einen Teil ihrer Standardbewaffnung, um dafür im Cockpitbereich und Haubenbereich stärker gepanzert gegen die heftigen Abwehrfeuer der Bomber gewappnet zu sein.


Die Idee der Sturmstaffel entsteht 1943, als die Angriffe der feindlichen Bomber in unerträglichem Maße zunehmen. Im Oktober 1943 kommt es zur Aufstellung einer Versuchseinheit, die probeweise für 6 Monate bestehen sollte und deren Aufgabe es war, die Bomber verstärkt unter Beschuss zu nehmen. Nach kurzem Vergleich wurde die Fw 190A-6 als Flugzeug der "Sturmstaffel 1" ausgewählt. Um dem Abwehrfeuer der Bomber standhalten zu können wurden die dreieckförmigen Scheiben des Windschutzes durch 30 mm Panzerglas (genannt "Scheuklappen") und die Scheibehaube ebenfalls durch je eine etwa 50 mm starke, von einem Holzrahmen eingefasste Panzerscheibe verstärkt. Zusätzlich wurde an den Rumpfflanken eine 5 mm dicke, aus Stahlplatten bestehende Seitenpanzerung angebaut, die zum Ausbau der gegen Bomber nicht signifikanten "Luftwaffen-Anklopf-Geräte", den MG17 führte.


Ende Februar 1944 wurde die Sturmstaffel 1 nach Salzwedel verlegt, wo sie in das JG 3 "Udet" eingegliedert und als 11./JG 3 weitergeführt wurde. Die gesamte IV. Gruppe des JG 3 gab ihre Messerschmitt Bf 109G Maschinen zugunsten der "Sturmjäger" von Focke-Wulf ab und war von nun an eine eigene "Sturmgruppe".


Etwa zu dieser Zeit erhielt die IV./JG 3 ihre ersten Fw190 A-7 in der "Sturmjäger"-Ausführung. Obwohl die Verluste durch die Einführung des Langstrecken-Begleitjägers "P-51B Mustang" der Amerikaner allgemein stiegen, war die Sturmgruppe sehr erfolgreich.

Bereits wenige Monate später wurde die Gruppe auf die in Großserie gebaute Fw 190A-8 umgerüstet - auch weiterhin in Sturmjägerausführung.


Am 8. Juni wurden einige Maschinen der IV./JG 3 an die Invasionsfront verlegt, die erst vor zwei Tagen von den Alliierten "eröffnet" wurde. Dort wurden die schweren Sturmjäger unter anderem als Jagdbomber eingesetzt. "Zu Hause" flog der Rest weiterhin Sturmangriffe gegen die Boeing B-17 "Flying Fortress" und Consolidated B-24 "Liberator".


Am 7. Juli fand über dem Ort Oschersleben ein Luftkampf zwischen B-24 "Liberator" der 492nd Bomb Group und der IV./JG 3, sowie Flugzeugen der II./JG 300 statt, bei dem die Bomber der Amerikaner vernichtend geschlagen wurden. Dies war der erste größere Einsatz der "Sturmböcke", einer mit zwei MK108 Kanonen in den äußeren Kanonenschächten und als Fw 190A-8/R2 bezeichneten Spezialversion der Sturmjäger. Zusätzlich zu der Panzerung des Führerraumes wurden Panzerplatten vor dem Brandschott, vor dem Instrumentenbrett sowie eine Panzerung für die 30 mm Kanonen bei dieser Version eingeführt.


Die deutsche Propagandamaschinerie berichtete sorgfältig über dieses Ereignis in der "Wochenschau", wobei der Titel "Blitzluftschlacht über Oschersleben" ein wenig übertrieben klingen mag, auch, wenn nicht weniger als 30 Bomber allein auf das Konto der Sturmböcke der IV./JG3 gingen. Kurze Zeit danach werden weitere Sturmgruppen gebildet bzw. umgerüstet. Alle erhielten die neuen "Sturmböcke" mit der Bezeichnung Fw190A-8/R2.


Ende des Jahres 1944 wurde eine neue Version der Sturmböcke, zusammen mit der alten, ausgeliefert, wobei die Produktion bis Kriegsende andauerte. Hierbei handelte es sich um den Rüstsatz "R8". Die Maschinen, die diese Bezeichnung trugen waren mit den neuen BMW 801 TS oder TU Triebwerk ausgerüstet (wie die Fw 190A-9 auch) und waren nicht mehr mit der störenden Panzerung der Rumpfflanken und der Haube ausgerüstet, so dass sich die Einschränkung im Kampfe mit gegnerischen Jägern nicht mehr so deutlich bemerkbar machten, da die Maschine zum einen etwa 80 Kg leichter war und zum anderen einen stärkeren Motor hatte.


Die letzten Monate des Jahres 1944 sollten für die Sturmjäger besonders bitter werden. Wie auch bei den anderen Einheiten der Luftwaffe fielen die erfahrenen Piloten und wurden von unerfahrenen ersetzt, die noch schneller fielen und somit von noch unerfahreneren Piloten ersetzt wurden.


So fiel auch der Pilot Günther Rennwanz, Mitglied der Sturmgruppe IV / Jagdgeschwader 3, im Alter von erst 21 Jahren und nach nur wenigen Einsätzen.


Damit endet der Beitrag über die Kriegsereignisse, die Ahrdorf in irgendeiner Weise berührt haben. Unendlich viel Leid wurde insbesondere durch den Zweiten Weltkrieg über den kleinen Ort an der oberen Ahr gebracht. Bleibt zu hoffen, dass wir und die nachfolgenden Generationen keinen Krieg mehr erleben müssen.

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